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Aktuelles

„Kita-System steht vor dem Kollaps“

Prof.Dr.Klaus Fröhlich-Gildhoff,  Diplom-Psychologe und Dozent für Entwicklungspsychologie und Klinische Psychologie an der Evangelischen Hochschule Freiburg, Co-Leiter des Zentrums für Kinder- und Jugendforschung (ZfKJ) im Forschungs- und Innovationsverbund (FIVE) an der Evangelischen Hochschule Freiburg erklärt, warum das Kita-Personal mit dem Rücken zur Wand steht.

Die Zahl der psychisch belasteten Kinder ist in der Coronazeit von 20 auf 30 Prozent gestiegen, auch bedingt durch die Pandemie. Hinzu kommt, dass durch den Personalmangel die Belastung der pädagogischen Fachkräfte immer weiter zunimmt. Bis zum Jahr 2025 werden bundesweit mindestens 180 000 Fachkräfte in den Kindertageseinrichtungen fehlen. Wenn zu wenig Personal da ist, steigt die Belastung für die Fachkräfte, die da sind – so kommt das Team schnell in eine Erschöpfungsspirale. Laut Statistik sind Erzieherinnen um ein Drittel häufiger krank als Frauen aus anderen Berufen. Sie spüren eine große Verantwortung für die Kinder und Familien. Daher gehen sie oft über ihre Grenzen und ziehen nicht rechtzeitig die Reißleine.

Die Qualität einer Einrichtung läßt sich an drei Kennzeichen erkennen: Die Fachkraft-Kind-Relation ist eins davon. Im U3-Bereich sollte sie bei 1:3 liegen, im Ü3-Bereich bei 1:7. Außerdem ist die Qualifikation der Betreuungskräfte wichtig: Alle sollten eine pädagogische Ausbildung haben. Und drittens sollte jede Kita ein Konzept haben, das nicht nur auf dem Papier steht, sondern gelebt und regelmäßig hinterfragt wird. Das Problem ist: Wenn in Notsituationen zu wenige Fachkräfte da sind, wird nicht nur der Betreuungsschlüssel gelockert. In den östlichen Bundesländern ist der Mangel besonders groß, da ist im U3-Bereich zum Teil eine Fachkraft für sieben und mehr Kleinstkinder da. Aber auch die Qualifikationsanforderungen werden in der Not mitunter aufgeweicht. Da werden dann Menschen als Kita-Helferinnen eingestellt, die nur teilweise oder gar nicht pädagogisch ausgebildet sind. Man macht einen 20-Tage-Kurs und dann ist die Hilfskraft zuständig für die Kinder – im Ernstfall ja auch allein, wenn die Fachkraft fehlt. Sogar nicht ausgebildete Wickelhelferinnen sind im Gespräch. Das ist grob fahrlässig. Solche Hilfskräfte stellen vielleicht kurzfristig eine Entlastung, aber langfristig eine Belastung dar. Nicht nur, weil wegen einer höheren Fluktuation als im professionellen Bereich immer wieder neues Personal von den wenigen Fachkräften angelernt werden muss. Auch für die Qualität der Betreuung ist das ein Eigentor.

Quelle: HNA v. 26.09.22 - https://www.hna.de/kassel/kita-system-steht-vor-dem-kollaps-91813667.html